eigene
texte setze ich konsequent in kleinschrift. fremdtexte,
die im original in gemischter schreibweise verfasst
wurden, sind in absolute kleinschreibweise überführt.
>solche fremdtexte sind wie hier gekennzeichnet.<
dj.1.11 wählte die moderne kleinschreibweise,
wie sie für das »bauhaus« typisch
war. die behauptung, »tusk« habe die kleinschrift
von Stefan George übernommen, der sie in ganz
individueller weise für die aesthetische stilisierung
seiner sprach-schöpfungen verwandte, ist falsch.
im gegenteil wurde die dichtung Georges in dj.1.11
als spiessig und antiquiert angesehen und daher abgelehnt.
auch der hinweis auf die kleinschreibenden »heilsbringer«
à la Gustav Nagel und die von der masse verhöhnten
»kohlrabi-apostel« der notzeit nach dem
1. weltkrieg geht an der wahrheit und am grundverständnis
für die sache vorbei. warum diese die absolute
kleinschrift verwendeten, ist wahrscheinlich nirgendwo
erklärt. vielleicht folgten sie lediglich aus
gründen der selbstdarstellung der mode des originellen
in der »neuen« zeit.
in dj.1.11 setzte sich jedoch die auffassung durch,
dass die absolute kleinschrift eine revolutionäre
schreibform sei, mit der die hochmütigen dome
und zitadellen der versalien, die zwingburgen der
substantive, gleich den fürsten, kaisern und königen
abgeschafft würden. die kleinschreibweise entspricht
aesthetisch dem egalitären wesen bündischer
gesellung.
in den zwanziger jahren galt den fortschrittlich denkenden
die kleinschrift als symbol für die erneuerung
der gesellschaft in freiheit und gleichberechtigung.
die neuerer auf den gebieten der technischen moderne,
ingenieure und architekten, sahen in der kleinschreibweise
den aesthetischen und funktionellen stil des zwanzigsten
jahrhunderts, in dessen maschinenwelten althergebrachte
schreib- und schriftformen nur befremdlich wirkten.
es ging um die anschauliche einheit der zeichen in
inhalt und form, und es ging auch um die ökonomisierung
industrieller arbeitsabläufe. der VDI, verein
deutscher ingenieure, hatte die kleinschrift unter
solchen gesichtspunkten, als aber auch als ausdrucks-form
der sogenannten »stahlzeit« propagiert.
(1)
(1) |
>fundament
der organisation<, herausgegeben von dr.-ing.
Richard R. Hinz. verlag des vereins deutscher
ingenieure (VDI), berlin 1920. >sprache und
schrift< von dr. W. Porstmann.
|
|
die
forderung auf abschaffung der versalien existierte
indes seit längerer zeit. Jakob Grimm,
germanist, einer der brüder Grimm, galt
für die revolutionäre in der jugendbewegung
als der ihnen geistig verwandte »kleinschreiber«.
er forderte gleich ihnen -und bereits schon
zu anfang des 19. jahrhunderts- eine abkehr
vom »deutschen stil und charakter«
in sprache und schrift. (2)
|
|
(2) |
>Jacob
Grimm und sein bruder Wilhelm<. sammlung
Metzler. realienbücher für germanisten.
Ludig Denecke, stuttgart. ISBN 3-476-10100-2.
|
|
(2.1) |
für
die bewusst freiheitlichen künstler mag
jedoch auch der germanist Bedeus eine grosse
bedeutung gehabt haben. er schrieb 1913 (in
2, s.70 ff.): > (...) »in der zeit
des finstersten mittelalters, in der zeit des
verrohens und des unwissens, wie sie weder früher
noch später je wiederkehrte, griff die
unsitte des grosschreibens der hauptworte um
sich, in dem man grosse staben zunächst
nicht nur am anfang des satzes und der namen
schrieb, sondern namentlich auch den namen gottes
oder des herrn oft durchgängig mit grossen
staben schrieb. das ging dann über auf
andere titel und würden, bis man schliesslich
bald jedem hauptwort seine untertänigkeit
durch gross-schreiben bezeigte. (...) dieses
überbleibsel mittelalterlichen geistes
wird nun als nationalheiligtum hinzustellen
gesucht. ja, es heisst, dass diese schreibung
das lesen erleichtere. wenn auch, so gewiss
nur minimal. liest man doch sämtliche andereschriften
der welt, ohne dass sie grosse staben schreiben
würden! nur die deutsche belastet sich
mit dieser erschwerung!<
|
(2.2) |
(in
2, s. 103 ff.: > (...) es ist bemängelt
worden, dass die deutsche germanistik, befangen
in der rückwärtsgewandtheit Jakob Grimms,
den studenten kein kolleg über rechtschreibung
böte. es mag dahingestellt sein, ob ein solches
kolleg nützlich wäre. auf jeden fall
aber gehört Jakob Grimm an den anfang einer
geschichte der modernen deutschen rechtschreibungsreform.
seine bemühungen in diesem punkte gingen
über jahre, und ihr weitgehender misserfolg
gegenüber einem zähen traditionalismus
hat ihn geradezu erbittert. schon 1817 protestierte
er gegen barocke schreibweise und gegen die »ursprünglich
höchst philistrische erfindung der grossen
buchstaben«. ausführlich und grundsätzlich
äusserte er seine progressiven ansichten
in der vorrede zum Dwb (=deutsches wörterbuch,
1, sp. 54-62; kleinschrift 8, s. 364-374), persönlich
zum beispiel in einem brief an Johann Haering
in vodnan, südmähren (3.2.1855).
progressiv war Jakob Grimm auch in der benutzung
der antiqua anstelle der fraktur, die er 1820
für den druck der 2. auflage des ersten bandes
der grammatik (1822) durchsetzte, worin ihm Rask
schon 1817 vorausgegangen war. gleichzeitig wurde
auch die kleinschreibung der substantiva eingeführt.
(...) von nun an ging Grimm auch in seinem schriftwechsel
zu lateinischen und kleinen anfangs-buchstaben
der substantiva über. (...) scharf genug
war dann die äusserung in der 3. auflage
des 1. bandes der »deutschen grammatik«
(1840, s. 26):
»wer die sogenannte deutsche schrift (meinte
fraktur, (3) braucht, schreibt barbarisch, wer
grosze buchstaben für den anlaut der substantive
schreibt, pedantisch« (»barbarisch-pedantisch«
hatte Goethe in einer rezension von »des
knaben wunderhorn« ein gedicht genannt);
und ähnlich geht es in der rede »über
das pedantische« (1847)«. |
|
(...)
»deutsches wörterbuch«: »der
titel nahm noch einmal die wortfügung auf,
die bei den sagen, der grammatik, den rechtsaltertümern,
der mythologie und der heldensage angewandt war
und der in dem worte »deutsch« noch
immer nach jacobs eigenwilliger prägung die
bedeutung von »diet«, »volk«,
also »aus dem volke gekommen«, »von
der art des volkes« mitklingt. und für
eine breite öffentlichkeit war das werk bestimmt.
für wissenschaftliche zwecke wäre die
anordnung nach wortstämmen naheliegend gewesen.
Jacob Grimm wählte bewusst die antiqua-schrift
und die durchgehende kleinschreibung, auch hätte
er gern die orthographie von ihrem kanzleischwulst
befreit. im ganzen war das »deutsche wörterbuch«
ganz bewusst und eindeutig gegenwartsbezogen und
hätte es vielleicht mehr bleiben oder in
einer form des concise dictionary wieder werden
sollen.< |
|
(3) |
Hitler
liess am 3. januar 1941 die fraktur verbieten.
in dem verbotsschreiben der reichskanzlei heisst
es: > die sogenannte gotische schrift als eine
deutsche schrift anzusehen oder zu bezeichnen
ist falsch. in wirklichkeit besteht die sogenannte
gotische schrift aus schwabacher-judenlettern.
(...) die verwendung der schwabacher-judenlettern
durch behörden wird künftig unterbleiben.
(...) gez. M.Bormann.< (»klassiker in
finsteren Zeiten 1933-1945«. ausstellungskatalog,
DLA, marbach am neckar 1983, band 1). |
|