»wer
je die flamme umschritt«: »bund« ist
die freie assoziation gleichgerichtet fühlender,
denkender und handelnder menschen, die in vielfacher sympathiebindung
und hingabe den ihnen gemeinsamen idealen folgen, die
aber niemandem gefolgschaft leisten. »orden«
ist der kreis der sich dem bund und seinem arkanum tiefer
verpflichtenden geistigen bruderschaft.
ich spreche vom »bund sonnfried«, der 1939
von einem freundeskreis im konzentrations-lager esterwegen
gegründet wurde, der sich an taoismus und zenbuddhismus
orientierte: mit wurzeln im welt-träumerischen wandervogeltum
der frühesten jahre des jahrhunderts, das aus einer
antibürgerlichen und antiwestlichen weltanschauung
heraus schon dem ostischen denken zuneigte. dj.1.11 hatte
dieses zur jungenschaftlichen werthaltung kultiviert und
-in der 1933 von »tusk« herausgegebenen zeitschrift
»die kiefer«- als eine über jede normgesinnung
erhabene geisteshaltung und immunisierung gegenüber
dem nazi-faschismus zu vermitteln gesucht. aus beiden
jugend-bewegten strömungen: aus dem ostisch orientierten
denken des bildungsbürgerlichen wandervogels (graf
Dürckheim) und der jungenschaftlichen werthaltung
heraus, schuf sich der »bund sonnfried« die
romantische gesetzes-tafel seines ordens: unter den augen
der KZ-bewacher und inmitten vieler verleumderischer gegner
des bündischen antifaschistischen wegs.
ich bin nicht von kommunisten, ich bin von bündischen
visionären zu den extremsten vorstellungen einer
neuen sozialen kultur geführt worden. dabei werden
bündische gesellungsformen in der allgemeinen gesellschaft
als sektierertum verstanden. dem widerspreche ich nicht,
denn tatsächlich sind sie ein aufgehobensein im besonderen.
aber nach allen erfahrungen des lebens, wie es nun einmal
ist, denke ich heute wieder in zuneigung an die menschen
und ihre unerfüllbaren idealistischen welt-vorstellungen,
die mich als junge beeinflussten: 1941! da war ich 13,
mitten unter Hitler. meine freunde meinten es ernst und
nahmen jeden ernst, der die ideale unserer gemeinschaft
verfocht oder verriet; feind war, wer den orden verfolgte.
so begann für mich eine neue zeit.
unser leben der verbotenen zusammenschlüsse war tagtäglich
unter anfeindung und verfolgung auf spannung gesetzt.
der dichter Ernst Jünger war ein freund unserer freunde.
sein credo war ihre devise: »gespanntes leben ist
adel« (»das abenteuerliche herz«); so
wurde es uns vermittelt, und so verstanden wir es. im
reich der anpasser und mitmarschierer lebten wir eigensinnig
sendungsbewusst. wir hingen einer als eigenartig anmutenden
elitären militanz an: uns erschien unser katharerisch-pazifistischer
und gewiss wiedertäuferischer anspruch in der zeit
des gegentums gegen die nazis nicht als unvereinbar mit
der zugleich vermittelten Jüngerschen kriegerhaltung.
dabei war keiner der jüngeren freunde älter
als 18 jahre! und wir verpflichteten uns der gemeinschaft
mit dem gelübde der hingabe in wahrhaftigkeit als
ein innerster bekenner-kreis: ein »orden«
über dem »bund«: im »3.reich«
eine widerständische bündische schar.
ein einziges exemplar der ordensgelübde von 1939
gibt es noch: in einer staatlichen akte zum bündischen
widerstand. ich sandte das dokument im april 1950 dem
innenministerium NRW in düsseldorf mit der dringenden
bitte zu, mir diesen einmaligen beleg bündischen
»gegentums« gegen den nazifaschismus nach
einsichtnahme wieder zurückzugeben. doch man behielt
das dokument, geübt in anmassung und machtwillkür,
ohne jeden kommentar ein. es galt damals wohl schon, dem
bündischen antifaschismus die beweisgrundlage zu
entziehen.
am 10-11-1998 durfte ich in einem archiv einblick in mein
eigentum nehmen. eine traurig stimmende erinnerung an
meine freunde und eine offenlegung der unehrenhaften machenschaften
staatlicher behörden der nachkriegszeit, die mit
denen der nazi-zeit identisch oder vergleichbar waren.
ich wusste bislang nicht vom erhaltensein des dokumentes.
man hatte mir in den fünfziger jahren mitgeteilt,
dass es verschollen sei. erst die mir im oktober 1998
zugespielte magisterarbeit eines GESTAPO-akten-kompilateurs
verwies auf den findort.

»bund sonnfried«: ein geistiger adelsstand
freier jugend, mitten unter Hitler? ein orden, der sich
die strengsten regeln auferlegte: die farbe »ätherblau«!
für
freundschaft und bund waren wir jungen zu gewinnen und
zur selbstaufgabe bereit. politisch -im sinne von parteipolitisch-
war das selbstverständlich nicht! es war in der
nazizeit -gegen staat und gesellschaft- höchstpolitisch!
hinsichtlich des ausbleibens des roten massenwiderstands
ist heute noch psychologisch erklärbar, warum manche
-im denken und verstehen dogmatisch behinderte- genossen
in unserem idealismus nur den idealismus und nicht die
zu allem entschlossene haltung und entschiedene neigung
zur antifaschistischen tat sehen. wir waren im handeln
unbedenklicher und effektiver als sie, die uns eine
sekte nannten. das nahmen wir hin. mit sekten sind despoten
nie leicht fertig geworden. zwei strophen unseres ordensliedes,
das im tonfall des weltfremden idealismus klingt, aber
mehr bewirkte, als nur die missachtung von realität
und norm:
wir
sind des lichtes leben, |
der
sonne kameraden, |
zu
freiheitlichem streben |
ist
unser bund geladen |
|
des
morgenlichtes strahlen |
erfüllen
uns mit freude, |
verlasst
des dunklen schalen, |
schafft
mit am lichtgebäude. (*) |
(*)
|
ursprünglich:
"sprung auf und in das leben, ihr jungen kameraden".
worte von werner helwig. 1933 dem illegalen wiesbadener
landstreicherorden des nerotherbundes gewidmet.
weise eines sardischen fischerliedes, 1929 von helwig
aufgezeichnet). |
die wenigen und die vielen -
> ich glaube an den wert der kleinen zahl.< (André
Gide). aber meine hoffnung galt immer »janhagel«!
welch ein trauhm-wort für das empörerische volk.
»ca ira!« »ca ira!« der sturm
auf die bastille: welch ein romantisches bild der nemesis.
ich stehe auf der seite der utopischen träuhmer.
»was für ein kommunist bist du heute?«
frug mich ein berliner freund, als wir nach 1989 zu definieren
suchten, was der mensch ist, und was menschlichkeit heute
sei, wo der freie markt der niederen instinkte als freiheit
gepriesen wird. darauf entgegnete ich, dass ich kommunist
bin; aber auch, dass ich kein unkritischer verfechter
einer in sich geschlossenen ideologie sein kann.
der literatur-nobelpreisträger José Saramago
am 8. oktober 1998 auf der frankfurter buchmesse: »wenn
man mich fragt, ob ich kommunist sei, so sage ich, ja!
ich bin ein kommunist; jedoch kein blinder! ich bin ein
bekennender atheist, zutiefst vom christlichen ethos geprägt.«
als kommunist ein mensch zu sein, welcher der symbole
und ideologie der christlichen religion oder anderer anpassungs-systeme
nicht bedarf, der ohne heiland, ohne kreuz und ohne sakramente
... aus sich heraus ... nach den christlichen oder weltanschaulichen
idealen allumfassender liebe lebt: das habe ich immer
bewundert, weil es nur wenige christen gibt, die dazu
in der lage sind.
ich aber bin ein kommunist, der die vervollkommnung des
menschen als heraufbildung aus humanismus und aufklärung
heraus sieht. freiheitlich gesinnt, nehme ich jedoch die
erfahrung wahr, dass es weder auf die begründung
noch auf die bezeichnung des von uns gewollten ankommt.
es kömmt darauf an, die bessere welt zu wollen
und zu gestalten. und solange es noch ausbeutung, soziale
ungerechtigkeit und krieg gibt, werden sich menschen zusammenfinden,
die sich gegen die schinder und schänder der welt
stellen werden: das ist zutiefst des menschen art! um
des menschseins willen kommt es darauf an, den kampf gegen
die unmenschlichkeit zu führen, ungeachtet der frage,
ob dieser kampf siegreich sein wird ... oder wieder und
wieder in niederlagen endet ... weil man die menschen
nicht zur menschlichkeit zwingen kann. Stalin. --
zehn
jahre nach unserer diskussion über die frage, was
der mensch sei; nach zehn jahren der erfahrung des freien
marktes und der zerstörung der solidarität
und der guten gesitten und gesinnung unter seinen bedingungen
in den alten ländern der DDR, lege ich meinem berliner
freund meinen text-entwurf für die jahreswunschkarte
1999 vor:
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»friede,
freiheit und soziale gerechtigkeit, menschliche
würde und aufrechter gang: waren das denn
nur die trauhmwörter und begriffliche visionen
... fernab jeglicher realität ... oder bezeichneten
sie nicht doch die schon realität gewordenen
errungenschaften revolutionärer tat? wo?
sie
sind die immer wieder zu erhebenen forderungen
... nie und nirgendwo mehr zu erdulden ... sondern
zu verändern die welt ... wie sie den armen
bereitet wird.
eine
lange zeit ... solange es krieg, unterdrückung
und ungerechtigkeit gibt .. werden sie in der
völker bewusstsein und erinnerung ein echo
unserer losungen sein ... alte und neue und immer
neue wörter der hoffnung und des willens,
dass der menschheits-trauhm wirklichkeit werde
... und der tempel der menschlichkeit endlich
errichtet werden möge: »nächstes
jahr ... trotz alledem!«
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aber die gute welt kommt nicht vom guten menschen allein.
das ist es, was wir bis zur vollkommenheit zu lernen
haben: bisher gingen wir nicht so weit ... aus furcht
zu weit zu gehen ... nicht so weit. Stalin? -- trauhm,
welch ein hoffnungsvolles, sinnlich motiviertes wort!
was ist schon der kurze traum dagegen?!
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